top of page

Der Ruf nach mehr Leistung – Warum Schuften nicht die Lösung ist

Dieser Artikel erschien zuerst für PERSOBLOGGER.DE, am 21. August 2023


Unsere Wirtschaft braucht mehr Leistung. Aber bedeutet das automatisch mehr Arbeiten oder gar Schuften bis zur Erschöpfung? Ist New Work ein Irrweg und wir müssen den jungen Menschen gar „in den Hintern treten“? Leadership-Expertin Karin Lausch macht sich Gedanken und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.





Wer rettet unsere Wirtschaft?


Die deutsche Wirtschaft schrumpft laut ifo Konjunkturprognose 2023 um 0,4 Prozent und niemand tut etwas. Im Gegenteil. Statt uns mal wieder so richtig ins Zeug zu legen, wollen wir auch noch weniger Arbeiten, kompromisslos flexibel sein und unsere persönlichen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen. „Niemand will mehr leisten“, schreien nun viele Stimmen auf. Aber stimmt das wirklich? Und wie verträgt sich diese Behauptung damit, dass wir so erschöpft sind wie nie?


Old habits die hard


New Work hätte verwässert, worum es bei Arbeit wirklich ginge – nämlich um Leistung. So klingen die Stimmen, die jetzt laut werden und fordern, den ganzen „Irrsinn“ rund um neue Arbeit und mehr Menschlichkeit im Businesskontext wieder sein zu lassen und einfach mal zu arbeiten. Und zwar hart. Immerhin würde uns nur das aus der Krise bringen.


Und ja, ohne Leistung fährt unsere Wirtschaft gegen die Wand. Doch jetzt „nur“ die Ärmel hochzukrempeln und mehr von dem zu machen, was wir bisher gemacht haben, hilft uns ziemlich sicher nicht weiter. Warum glauben wir, dass unsere Probleme sich nur durchs Schuften lösen würden?


In Krisenzeiten gerät der Mensch in Panik. Und wenn wir panisch werden, dann greifen wir nach bekannten und bewährten alten Handlungsstrategien. In diesem Fall bedeutet es, sich wieder dem tayloristischen Bild von Mensch und Arbeit zu widmen und in den Funktionsmodus zu wechseln. Statt Humanisierung und Flexibilisierung also lieber Leistungsmaximierung. Ganz nach dem Motto: „Hat ja früher auch geklappt.“


Doch diese Strategie geht nicht auf. Denn „früher“ ist vorbei und unsere alten Handlungsstrategien greifen heute nicht mehr. Ja, wir brauchen Leistung. Doch die Art von Leistung, die wir jetzt benötigen ist nicht Verausgabung. Wir brauchen neue Antworten. Es geht nicht darum, um jeden Preis das System zu befriedigen und zu funktionieren.


Das ist sogar kontraproduktiv, denn ohne jegliches Sinnerleben zu schuften erschöpft uns. Und erschöpft ist unsere Gesellschaft laut eines Interviews mit dem Sozialwissenschaftler und Professors für Public Health, Klaus Hurrelmann, in der taz, ohnehin schon auf dramatische Weise.


Ideen statt Schweiß


Deutschland hat nicht nur einmal den Einstieg in neue Themen verpasst. Das war lange Zeit nicht so wild, weil wir von Branchen getragen wurden, die uns Erfolg garantierten. Doch das ändert sich, wie das Handelsblatt schreibt. Pharmakonzerne forschen verstärkt im Ausland, Autohersteller geraten in Bedrängnis und die Chemieindustrie ist energiepreisgebeutelt.


Selbst das Münchner Energie-Startup Marvel Fusion, dass an der Entwicklung eines vielversprechenden Kernfusionskraftwerks arbeitet, geht nun in die USA, weil es nur dort zahlungskräftige Investoren gefunden hat, so ntv. Uni-Präsidentin Amy Parsons sagte dazu: “Das Projekt bringt Fort Collins und dem Bundesstaat Colorado langfristig einen bedeutenden wirtschaftlichen Nutzen und Renommee.“ Tja, wer würde das nicht gern sagen können. Deutschland ganz sicher, doch das nächste neue „Ding“ ist nicht in Sicht. Vielmehr können wir schon froh sein, wenn wir im Zuge neuester Technologien überhaupt mithalten können.


Hart arbeiten allein ändert all das nicht. Stattdessen geht es darum, unser gesamtes System zu hinterfragen und zu verändern. Wir brauchen Mut und Innovation, statt nur Verausgabung und Schweiß. Beides ist Leistung, aber eine andere. Und ja, das macht einen Unterschied. Denn eine erschöpfte Gesellschaft bringt sicher keine bahnbrechenden neuen Ideen mehr an den Start.


Die Generation „Null Bock“


Gerade der Gen Z wird wenig Eifer nachgesagt. Ihr wird vorgeworfen, sie sei überheblich, faul oder egoistisch und hätte einfach null Bock auf Arbeit. Warum? Weil junge Menschen anders auftreten als Generationen vor ihnen. Doch Vorsicht, denn hier lauern Vorurteile statt Tatsachen.


Erstens können wir keine ganze Generation einfach so über einen Kamm scheren, denn auch wenn eine Generation vom Zeitgeschehen geprägt wird, sind dennoch alle Menschen einer Generation durchaus unterschiedlich. Zweitens sind junge Menschen weder faul noch überheblich oder sonst etwas. Das sind nur Attribute, die wir ihnen zuschreiben. Und das tun wir wiederum nur aufgrund unserer eigenen Prägung und Auffassung davon, wie man sich im Arbeitskontext zu verhalten hätte. Aber wer sagt, dass das richtig ist?


Die junge Generation ist geprägt von Fachkräftemangel und demografischem Wandel. Sie beherrscht den Arbeitsmarkt, weil es deutlich mehr offene Stellen als qualifiziertes Fachpersonal gibt. Auf sie wartet an jeder Ecke ein Job. Sie musste sich nie verbiegen oder anpassen, aus Furcht sonst arbeitslos zu werden. Warum sollten sie also auch nur daran denken?


Und so trauen sich junge Menschen deutlicher zu kommunizieren, was sie wollen und was nicht als Menschen früherer Generationen das getan haben. Doch was junge Menschen wollen, unterscheidet sich nicht wirklich von dem, was wir alle wollen. Zu Sinnerleben, verantwortungsvollen Aufgaben und Flexibilität würde auch keine andere Generation nein sagen. Nur wurden sie gelehrt, dass es ihnen nicht zusteht diese Dinge aktiv einzufordern.


Die Frage nach dem Sinn


Wer dafür plädiert, New Work zu vergessen, damit Leistung wieder in den Vordergrund rückt, ist wahrscheinlich dem Trugschluss auf den Leim gegangen, New Work sei nichts weiter als eine Debatte über Homeoffice oder die Vier-Tage-Woche. Kein Wunder, denn diese Themen beherrschten in den letzten Jahren den öffentlichen Diskurs.


Doch New Work ist keine Arbeitsreduktionsmaßnahme und auch kein Benefit. New Work ist vor allem die echte und wirkliche Auseinandersetzung damit, wie wir sinnstiftend arbeiten können. Der Sinn bezieht sich dabei sowohl auf unser eigenes Sinnerleben als auch darauf, was organisational und gesellschaftlich Sinn stiftet.


Und das ist alles andere als trivial, denn es liegt zwar in der Natur des Menschen einen Beitrag leisten zu wollen. Doch nur Menschen, die Sinn erleben, werden auch Höchstleistung erbringen können und vor allem wollen. New Work hält uns also keineswegs von der Arbeit ab, sondern bringt uns dazu unsere Arbeit zu hinterfragen und besser zu machen.


Vor dem Hintergrund von Rezession und Polykrisen brauchen wir New Work deshalb dringend. Wer es jetzt also verbannt, läuft nicht nur Gefahr den Fortschritt zu verpassen, sondern sogar einen großen Schritt zurückzumachen.


Clevere Leistung statt Fake Work


Statt an dem alten Bild von Leistung festzuhalten, sollten wir uns fragen, ob das Selbstbewusstsein junger Generationen nicht sogar genau das ist, was wir jetzt brauchen. Denn unser Arbeitsalltag ist voll von Fake Work, also der Art von Arbeit, die zwar der Systembefriedigung dient, jedoch nicht der Wertschöpfung.


Wir sitzen in Meetings, die niemand für sinnvoll hält, schreiben Protokolle, die sich kein Mensch durchliest oder erstellen Präsentationen, die nie angeschaut werden. Wir verkomplizieren, bürokratisieren und overengineeren, nur weil es jemand so will oder weil es schon immer so war.

Wer heute nicht mehr bereit ist zu leisten, ist meiner Erfahrung nach lediglich nicht mehr bereit auf diese Art und Weise zu leisten. Und das ist eigentlich etwas sehr Gutes. Es ist eine Chance, Fake Work zu identifizieren und alte Gewohnheitsrechte abzubauen. Eine Chance dafür, dass uns die freiwerdenden Kapazitäten ermöglichen, endlich wieder innovativ sein zu können.


Eine Chance dafür, unsere Energie in clevere Leistung zu investieren, statt uns um Sinn und Verstand zu ackern.



Comments


bottom of page