Dieser Artikel erschien zuerst für STRIVE Magazine, am 14. August 2023
Die Idee, einen Job zu finden, den man liebt und der sich nie wie Arbeit anfühlt, klingt verlockend. Die Ära der New Work hat solche Vorstellungen verstärkt, doch die Realität zeigt sich komplexer. Leadership Expertin und Executive Coach Karin Lausch beleuchtet in diesem Gastartikel, wie die Leidenschaft für die Arbeit zu einem Balanceakt zwischen Hingabe und Erschöpfung werden kann.
„Finde eine Arbeit, die du liebst und sie wird sich nie wieder nach Arbeit anfühlen.“ So oder so ähnlich lauten etliche Postkartensprüche, die im Zuge von New Work reihenweise in den Druck gegangen sind. Der Glaube dahinter? Wenn wir das tun, was wir wirklich wollen, dann ist Arbeit der reinste Freizeitpark.
Aber ist das wirklich so? Mit Nichten. Ich liebe, was ich tue, und ich kann mich in meiner Arbeit verwirklichen. Aber sie ist deshalb bestimmt nicht weniger anstrengend. Im Gegenteil. Und weil ich meine Arbeit liebe, kann ich mich oft nicht lösen, will mehr als gerade geht und übertreibe es. Statt Feierabend zu machen, produziere ich Content und statt zufrieden zu sein, sehe ich, was noch fehlt. Wie könnte ich nicht – immerhin macht meine Arbeit doch so viel Sinn! Und Sinn ist ein Treiber, den wir nicht unterschätzen sollten.
Und es geht nicht nur mir so, sondern den meisten Menschen um mich herum. Egal ob Selbständige, Gründer:innen, Unternehmer:innen oder Angestellte, Arbeit ist heute weit mehr als nur ein Job. Die meisten von uns wollen irgendwie die Welt besser machen. Keinen Purpose zu haben ist immerhin schon fast so schlimm, wie keine Haftpflichtversicherung zu besitzen.
New Work bringt eine Generation von New Workaholics hervor, die ihre Arbeit so sehr liebt, dass sie ihren Sinn über die eigenen Grenzen stellt.
Doch während wir mehr über gesunde Arbeit sprechen als je zuvor, arbeiten wir immer ungesünder. Selbst Mental-Health-Exptert:innen, die es besser wissen sollten, sind erschöpft. So bringt New Work eine Generation von New Workaholics hervor, die ihre Arbeit so sehr liebt, dass sie ihren Sinn über die eigenen Grenzen stellt. Während wir früher arbeitssüchtig wurden, weil es das System und die äußeren Erwartungen von uns verlangt haben, sorgen wir heute selbst dafür. Unsere Motivation wird zur Dysfunktion, denn wer lichterloh brennt, brennt irgendwann aus und spätestens dann ist Schluss mit Freizeitpark.
New Work ist nicht nur, was wir machen, sondern meint vor allem, wie wir etwas machen. Nachdem wir jetzt also wissen, dass wir die richtigen Dinge tun, müssen wir noch herausfinden, wie wir die Dinge richtig tun. Deshalb sind hier sechs Tipps, die dabei helfen, nicht zum New Workaholic zu werden:
1. Hinterfrage dein Motiv
Wir übertreiben es oft, weil wir unsere Bedürfnisse befriedigen möchten. Anerkennung, Wertschätzung und Bewunderung von außen finden wir besser als wir zugeben wollen. Davon kann sich leider niemand von uns ganz frei machen. Wer danach strebt, braucht immer mehr davon. Frag dich lieber, wie du das Bedürfnis anders befriedigen kannst.
2. Höre auf dein Gefühl.
Wenn es reicht, dann sendet unser Körper uns klare Signale. Wir fühlen uns nicht gut. Ein ziemlich schlauer Mechanismus. Aber der bringt nichts, wenn wir ihn ständig ignorieren. Wir müssen wieder lernen, auf unser Gefühl zu hören.
3. Priorisiere gesunde Routinen.
Wenn die Arbeit drängt, sind unsere guten Routinen das Erste, was wir streichen. Wir lassen den Sport ausfallen, verzichten auf unseren Spaziergang und kürzen unsere Mittagspause. Dabei sollten sie gerade dann unbedingt Vorrang haben. Ganz nach Lothar Seiwert: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam."
4. Sprich über deine schlechten Angewohnheiten.
Statt nur über unsere Erfolge zu sprechen, sollten wir viel mehr darüber reden, was sie uns gekostet haben. Das verbindet nicht nur, sondern zeigt uns auch, dass wir nicht allein damit sind und wir können miteinander üben, wie es besser geht.
5. Lerne aus deinen Fehlern.
Es ist okay, mal die eigene Grenze zu überschreiten. Aber es ist nicht okay, nichts daraus zu lernen. Siehe deine Arbeitsweise als einen Prozess der ständigen Verbesserung.
6. Liebe deine Arbeit, aber liebe dich mehr.
Ja, wir lieben unsere Arbeit und das ist viel wert. Aber nur, solange wir uns selbst mehr lieben. Denke immer daran: Wenn du es übertreibst und nicht mehr kannst, wer soll dann die Welt besser machen?
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