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Der Schein vom schönen Scheitern


"Wir müssen ja nicht sagen, dass es schief gegangen ist. Wir können es ja anders formulieren und betonen, was gut lief." Habt ihr auch schon einmal so eine Aussage gehört? Ich höre sie sehr oft, wenn ich mit Unternehmen darüber spreche, wie ein Projekt oder ein Vorhaben gelaufen ist und was die nächsten Schritte sein könnten.

Überall lesen wir von FuckUp Nights, Fail Nights, oder inzwischen auch Epic Fail Nights, in denen Unternehmen darüber berichten, was so richtig schief gelaufen ist und sich danach als Helden feiern lassen. Wie kommt es dann also noch zu solchen Aussagen und warum scheint es innerhalb der Unternehmen immer noch so wenig populär zu sein offen und ehrlich zuzugeben, dass man gescheitert ist? Wir alle wissen doch inzwischen, dass wir unsere Erfahrungen teilen müssen, um aus dem Scheitern schlauer zu werden.

Ich habe dazu eine Theorie:



Es muss Gras drüber wachsen


Statt sofort Erfahrungen über das Scheitern von den Dächern zu schreien, wartet man gerne ab. Immerhin ist noch nicht ganz klar, ob nicht doch irgendwo eine interne Bestrafung lauert, ob man sich nicht doch irgendwo ganz unangenehm rechtfertigen muss. Es bräuchte ja schon sehr viel innere "Psychological Safety", um trotzdem schon mal die nächste Fuck Up Night zu buchen und nicht nur sich zu blamieren, sondern auch noch den Ruf des Unternehmens ins Verderben zu ziehen.

Erst wenn wir das Gefühl haben, es ist genug Zeit vergangen, keiner ist mehr böse und es gibt aktuellere und dramatischere Themen, die das Unternehmen zu bewältigen hat, erst dann trauen wir uns heraus, mit unseren Scheitergeschichten. Schade, in der Zwischenzeit hätten viele andere bereits daraus lernen und den gleichen Fehler vermeiden können.

Wenn wir also nur mit harmlosen und unkritischen, akzeptierten Scheitergeschichten in die Welt hinausgehen, wie viele Scheitergeschichten werden dann eigentlich nie erzählt? Wie viele bleiben verborgen bis in alle Ewigkeit, weil es einfach zu heikel ist, sie zu erzählen? Wie viel Wissen geht damit verloren?



Die Pioniere der Luftfahrt


Vor kurzem war ich auf der New Work Future Konferenz in Hamburg. Die New Work Vorreiter, wurden in einem Vortrag mit den Pionieren der Luftfahrt verglichen. Ich finde, dieser Vergleich ist auch sehr passend, wenn es um richtiges und mehrwertstiftendes Scheitern geht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die flugtechnischen Vorrichtungen, die Leonardo Da Vinci erbaute, flugunfähig waren, war deutlich höher als die, dass sie fliegen konnten. Man könnte sagen, er ist eigentlich immer gescheitert. Denn keine seiner Vorrichtungen konnte fliegen. Dennoch lieferte Da Vincis Umsetzung die ursprünglichen Ansätze für die derzeit relevante Flugtechnik. Auch nach ihm, stürzten sich viele mit selbstgebauten Vorrichtungen und großen Träumen von den Klippen. Sie alle mussten scheitern, damit wir heute wissen, was wir wissen und einfach in ein Flugzeug steigen können, von dem wir wissen, dass es uns sicher ans Ziel bringt. Der Mut zum Scheitern und die Fähigkeit groß zu denken war also vorhanden. Auch diese Eigenschaften vermisse ich heute oft in Unternehmen. Aber vor allem wurden die Erfahrungen dokumentiert, geteilt und von vielen anderen genutzt. Natürlich gab es damals nicht so schnelle Informationssysteme und -medien wie heute, aber damals drehte sich die Welt auch noch deutlich langsamer. Heute haben wir die Möglichkeit unser Scheitern viel schneller zu teilen, heute haben wir aber auch große Angst davor.



Auf die Schnauze fallen ist auch eine Vorwärtsbewegung


Ich bin zukünftig für ein neues Format. Es sollte Recently Failed Nights geben. Da ist man gerade frisch gescheitert, hatte aber schon Zeit die Learnings zu definieren und kann sein Wissen weitergeben. Voraussetzung dafür ist, dass wir alle endlich damit aufhören ein Scheitern immer noch zu fürchten und sofort an Bestrafung und Getuschel hinterm eigenen Rücken zu denken. Dazu gehört aber vor allem auch ein Umdenken der Führungskräfte, damit sowohl sie als auch Mitarbeitende mehr Psychological Safety und mehr zutrauen aufbauen können.

Auf die Schnauze fallen ist immerhin auch eine Vorwärtsbewegung, wie es bei Oliver Wurm so schön heißt.

Was tue ich aber ganz konkret, um aus meinem Scheitern etwas positives zu machen und mein Wissen mit allen zu teilen? (außer auf die Recently Failed Nights zu gehen)


Richtig Scheitern beginnt bei dir selbst. Herzlichen Glückwunsch, du hast etwas Neues gewagt und Mut bewiesen. Vertusche es nicht und lasse kein Gras drüber wachsen. Dein Scheitern ist wertvoll, denn der Wert den du geschaffen hast ist Wissen.


Sammle alle Learnings über dein Scheitern und definiere, was du beim nächsten Mal anders machen würdest und warum.


Erzähle deine Geschichte. Ein gutes Storytelling schadet nicht und bleibt in den Köpfen. Im Sinne von “scheitere gut und rede darüber“!












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